- mit Update zum Objektiv an der A7R III -
Gleich vorab: Ich habe diese Überschrift gewählt, weil ich mich über einige erste Netz-Berichte meines brandneuen Objektivs geärgert habe. Warum Kaffeemaschine? Dazu später mehr und das ganz ausführlich - doch zuerst klären wir, worum es hier überhaupt geht!
In der klassischen Portrait-Fotografie braucht man ein Objektiv mit 80 bis 90mm Bennweite. Das SONY FE 85mm / f1,4 GM ist so eines. Und ich habe es mir gekauft. Doch hier geht es nicht um einen Test mit Meßwerten und Tabellen, sondern um meine bisherigen Erfahrungen an meiner Kamera A7R. Übrigens ohne dass mich Sony dafür bezahlt. Ein wichtiger Punkt, wie ich finde.
Im Grunde genommen brauche ich das Objektiv nicht wirklich. Meine Portraits mache ich gerne mit 55mm oder sogar mit dem 35er. Insbesondere für künstlerische Fotografie ist mir der größere Blickwinkel wichtig, da ich statt reinen Kopfportraits (manche nennen das abwertend „Passfotos”) gerne auch die Umgebung mit einbeziehe. Außerdem habe ich für „85mm” bereits das legendäre PanaLeica Nocticron. Nur passt das nicht an meiner A7R. Wer also anspruchsvoll bei Portrait unterwegs sein will, sollte unbedingt auch das sehr gute Zeiss 55mm/f1,8 in Betracht ziehen.
Jedenfalls bin ich mit dem FE 85mm das, was man ein „early adaptor” nennt. Will heißen, dass ich es schon 2 Monate vor Erscheinen bestellt hatte. Zu meiner großen Freude kam es wesentlich früher, als angekündigt. Bis dahin war ich etwas verunsichert über Berichte im Netz. Denn aufgrund seiner (angeblichen) Lautstärke wurde es schon als „coffee grinder”, also Kaffeemühle bezeichnet. Und dass es an der Sony A7R nicht richtig fokussiert bzw. der Eye-AF (Augenerkennung) gar nicht funktioniert. Auch dazu später mehr.
Das Auspacken war demnach spannungsgeladen. Solch ein High-End-Objektiv zu enthüllen, hat sowieso schon fast etwas Religiöses. Mitgeliefert wird ein solider Tragebeutel sowie eine Streulichtblende. Letzere finde ich zu kurz und somit in ihrer Wirkung eingeschränkt. Und sie dürfte auch, wie beim PanaLeica Noctricron, aus Metall und nicht aus Kunststoff sein. Wirklich stabil wirkt das nicht. Man hatte bei Sony wohl an das Gewicht gedacht und dass das Objektiv sowieso nicht zierlich ist. Immerhin ist die vordere Kante der Streulichtblende mit Gummi ummantelt. Das vermeidet auf Dauer hässliche Kratzer vorne. Also genau da, wo der Kunde reinschaut.
Nach der Enthüllung geht es wie gewohnt an die grundlegenden Funktionstests. Als erstes prüfe ich immer die Zentrierung. Ich hatte mal ein Objektiv und sogar eine Kamera, die dezentriert waren. Konkret sind dann eine oder zwei Ecken des Bildes deutlich unschärfer als die anderen. In so einem Fall sollte man das Gerät zurückgeben - man wird kaum glücklich damit werden.
Schärfe wie ein Adlerauge
Doch mein Sony FE 85mm f1,4 GM ist frei von solchen Beschwerden. Und überhaupt: Die Schärfe ist einfach nur brutalstmöglich gut. Gemeint ist nicht die typische digitale Schärfe, die uns allen durch viel zu stark nachgeschärfte Smartphone-Bilder anerzogen wird. Sondern eine natürliche Schärfe erzeugt durch gutes Glas, die weitaus eindrucksvoller wirkt. Zumindest wenn man sich nicht schon den visuellen Geschmack versaut hat, durch eben solche Fotos von Smartphones. Und noch was ist beim Dezentrierungs-Test aufgefallen: Auch die Ecken sind rattenscharf. Das ist selbst bei teureren Objektiven nicht selbstverständlich. Und schon gar nicht beim Kleinbild, auch Vollformat genannt. Denn je größer das Sensorformat ist, desto schwieriger sind unschöne Effekte im Griff zu bekommen. Also: Dieses Objektiv hat eine traumhafte Schärfe. Es gehört zu den wenigen Objektiven, wo ich spontan denke „Hey, mehr geht nicht”. Oder genauer gesagt: Der Sensor könnte noch mehr Pixel haben, und das Objektiv bringt sie auch rüber. Übrigens auch schon hervorragend bei der ganz offenen Blende f1,4. Wobei sich die Leistung hier schon mit Abblenden auf f1,6 bis f2,0 zur Perfektion verbessert.
Jedenfalls ist es schon fast dramatisch, wie gut und konturiert selbst Menschen abgebildet werden, die man aus nur 20% der Bildfläche ausgeschnitten hat.
Im Hintergrund
Doch Schärfe ist nicht alles. Scharf sind heutzutage fast alle Objektive. Denn leider ist es so, dass die Hersteller immer mehr die Qualität der Abbildung vernachlässigen und ihre Objektive auf Schärfe trimmen. Wegen der Testberichte natürlich mit ihren „Linien pro mm”. Oft leidet dadurch der unscharfe Hintergrund, der in Amateurkreisen gerne „Bokeh” genannt wird (beim ersten Hören dachte ich, es wäre ein indisches Kleidungsstück). Wie auch immer, in der klassischen Portraitfotografie ist die Freistellung, also das Trennen des Vordergrundes (also die Person) vom Hintergrund (durch dessen Unschärfe) ein eindrucksvolles Stilmittel. Wie stark dieser Effekt ist, darüber entscheiden Brennweite (hier 85mm), die größtmögliche Blendenöffnung (hier f1,4) und außerdem die Entfernung zur Person sowie das Sensorformat.
Bei vielen Objektiven kommt es heute also aufgrund der Schärfe-Optimierung zu einen „hässlichen” unscharfen Hintergrund. Das ist durchaus eine subjektive Einschätzung. Aber insbesondere bei den Vollformat-Kameras werden die so beliebten „Lichtkreise” im unscharfen Hintergrund plötzlich Ei-förmig am Bildrand. Dies führt in letzter Konsequenz oft zu einem „Swirl”-Effekt, so als wenn sich die Umgebung um den Portraitierten dreht. Was ich nicht so klasse finde. Dagegen hilft technisch gesehen eine größere Frontlinse. Und damit ist auch geklärt, warum dieses Objektiv so groß ist. Denn die „Ei-Bildung” ist hier sehr gering für Vollformat-Verhältnisse. Insgesamt ist der unscharfe Hintergrund strukturell so schön wie bei meinen besten ZUIKO-Objektiven. Was auch für die sogenannten „Chromatischen Aberationen” gilt, das sind die hässlichen grünen und lila Ränder an kontrastreichen Kanten z. B. Baumzweige. Hier ist das Sony 85mm/f1,4 GM klar besser als die meisten Konkurrenten bei Canon und Nikon. Selbst der ehemalige „König der Portraitobjektive” Canon 85mm/1,2L muss nach einem direkten Vergleich eines Kollegen insgesamt gegen das Sony passen.
Im Fokus
Wie ist das nun mit dem Autofokus? Und ist das Objektiv wirklich laut beim Fokussieren? Bis zum Zeitpunkt des Eintreffens habe ich im ganzen WWW nur ein einziges Statement zur Funktion an der A7R gefunden. Offensichtlich bin ich der einzige (?) mit diesem Objektiv, der sich nicht gleich die teure A7R II dazu gekauft hat. Wobei diese zwar einen Stabilisator eingebaut hat, aber ansonsten nur 2000€ mehr kostet. No way for me! Warum Sony nicht gleich bei der ersten Version einen Stabilisator eingebaut hat, dafür in dem einen oder anderen Objektiv doch wieder einen, bleibt wohl ein Geheimnis.
Hier meine Statements. Wie gesagt, alles an der A7R:
Wenn man manuell fokussiert, ist das FE 85mm f1,4 GM leise, aber hörbar. Ich tue es mir aber selten an. Warum? Weil der Autofokus immer noch zügiger ist als mein manuelles Fokussieren. Der Autofokus ist nicht schnell und gefühlt etwas langsamer als beim beliebten FE 55mm/f1,8.
Leider wird die Blende beim Fokussieren nicht geöffnet. Das führt dazu, dass ab ca. Blende 5,6 der Autofokus schon mal hin und her suchen muss, das sogenannte „Hunting”. Seltsamerweise hilft da das Umschalten auf AF-C. Ich dachte zuerst, der AF-C würde weniger präzise treffen. Aber das ist nicht der Fall. Und das, wo der AF-C der A7R an sich eher ein Werbegag ist.
Natürlich ist es jetzt ziemlich blöd, bei Blenden über 5,6 auf AF-C umzuschalten. Muss man aber auch nicht - denn mit diesem Objektiv wird man meistens mit sehr offener Blende fotografieren. Und auch mit AF-S findet man alles - aber teilweise eben etwas langsamer. Verglichen mit dem Nocticron, einer ebenfalls sehr guten Portraitlinse, ist das FE 85mm deutlich langsamer. Was in dunklen Szenen dann noch schwieriger wird. Aber auch hier wird meistens präzise getroffen. Übrigens ist dann das Nocticron auch nicht schneller. Auch nicht das ZUIKO 14-35mm/f2, welches in low light ebenfalls nur zögerlich trifft.
Für Sport und Action würde ich das Objektiv nicht einsetzen, was aber auch der relativ langsamen A7R geschuldet ist. Aber das ist ok, da mich diese Bereiche nicht interessieren. Dafür liefert die A7R sensationelle Bilder in Bereichen, DIE mich interessieren. Und das zählt.
Ansonsten ist die AF-Leistung unterm Strich deutlich besser, als ich erwartet habe. Mir ist sogar im Gehen ein scharfer Shot bei f2 gelungen, bei einer vor mir laufenden Person und Gegenlicht in Form der Abendsonne. In „realistischen” Situationen und bei Stills sowieso ist der Autofokus absolut zu gebrauchen. Übrigens: Auch mit Eye-AF passte es soweit an der A7R. Mehr dazu im Update weiter unten. Insgesamt gab natürlich auch Fehlschüsse, aber die gibt es immer und auch nicht mehr als mit anderen Kamerasystemen.
Das Handling und die Sage vom „Coffee Grinder”
Zuerst zum „Sound”: Ja, wenn man den Autofokus benutzt, hört man ihn deutlich in einem stillen Raum. Das fällt insofern doppelt auf, da die meisten das Teil zuerst in der Wohnung ausprobieren und nicht auf dem Kirmesplatz. Das ist die Sache mit dem ersten Eindruck. Ich will nicht relativieren, denn in der Tat ist es nicht zu überhören. Schaltet man auf MF, ist es übrigens deutlich leiser.
Draussen nehme ich das Fokusgeräusch dagegen überhaupt nicht wahr. Und Berichte, dass angeblich plötzlich „Brautpaare weglaufen” und des Fotografenpaar daraufhin das Objektiv zurückgab, verbuche ich angesichts der unglaublich guten Bildqualität des FE 85mm f1,4 GM unter „Dämlich”. Meine immer noch sehr guten Objektive ZUIKO 35-100mm/f2 und ZUIKO 150mm/f2 sind jedenfalls lauter. Auch beim ungefähr gleich großen ZUIKO 14-35mm/f2, welches wie das Sony einen Linearmotor hat, hört man ein Geräusch. Wenn auch leiser. Bei beiden hört es sich an, als wenn etwas aufeinander schabt. Daher wohl die Bezeichnung „Coffee Grinder”. Ich dagegen finde das Geräusch normal, denn es sind ja Foto-Objektive - und keine Magnetschwebebahnen. Ich war aufgrund der Berichte im Netz echt negativ angespitzt, aber nun registriere ich das Geräusch nicht mehr.
Vom Handling her ist das Objektiv recht groß. Die Leichtigkeit der A7R mit dem genialen 35mm-Objektiv geht ziemlich verloren. Und wenn man den Akku-Griff dran hat, hat man fast DSLR-Außmaße. Wobei ich den Akku-Griff trotzdem für ernsthafte Aufnahmen empfehle. Die Bilder werden einfach besser und gebraucht gibt es ihn günstig. Egal ob mit oder ohne Griff, die Kombi bleibt tendenziell kopflastig. Immerhin, bei einem Gang durchs Genter Studentenviertel habe ich damit seit langem wieder Blicke geerntet, übrigens durchaus wohlwollende und weibliche ;-) Die Belgier sind im Durchschnitt in Sachen Fotokunst sowieso aufgeschlossener und nicht so unlocker wie die Deutschen. Ok, was solls: Das Objektiv ist für Systemkamera-Verhältnisse zu groß! Ironisch bemerkt (aber durchaus wahr!) kann man sagen „Man wird wieder als Fotograf wahrgenommen". Kompakter geht es ohne Kompromisse halt nicht, was man an den krummen Bilder vieler kleinerer Objektive sieht. Die dann elektronisch wieder zurecht gebogen werden. Auch hier sage ich: Not my way!
Es gibt neben diversen Schaltern noch ein nützliches Detail, nämlich einen Focus-Hold-Button. Wird dieser gedrückt, bleibt der aktuell eingestellte Fokus erhalten, auch wenn man den Auslöser erneut drückt. Man kann ihn umprogrammieren, z. B. auf Eye-AF. Klasse Sache! Leider erst ab der A7R II. Bei der A7R fehlt schlicht der Menüpunkt zum Konfigurieren dieses Buttons. Da ist sie wieder, die gewohnt schlechte Firmware-Pflege von Sony. Es gibt noch andere Bedienungsdefizite, die Sony leicht beheben könnte. Ich nenne nur mal das lästige Drücken der Mitteltaste, bevor man den Fokuspunkt verschieben kann. Und einiges mehr, aber darum geht es hier ja nicht.
Fast hätte ich ein weiteres wichtiges Detail vergessen, welches auch an der A7R funktioniert - der Blendenring. Ein solcher war zu analogen Zeiten obligatorisch. Bei den Digitalkameras hat sich das Einstellen der Blende als fummeliges Kamera-Rädchen-Drehen durchgesetzt. Positive Ausnahme ist hier Fuji mit seinen Objektiven. Das FE 85mm hat nun so einen Blendenring. Danke Sony, Du machst mich glücklich damit! Ich wusste schon gar nicht mehr, wie klasse das ist. Portrait-Shoot, am Objektiv Blendenring drehen, noch ein Shot, Drehen, Shot! Und das, ohne den Finger vom Auslöser zu nehmen. Das ist einfach unglaublich sexy. Und es wirkt auf dem Portraitieren unglaublich eindrucksvoll, wenn sich dabei die mächtige Blende majestätisch öffnet und schließt. Drehen Sie also mit Lust am Ring, nicht nur Sie werden es genießen.
Unschöner Nebeneffekt: Die meisten Objektive haben diesen Blendenring leider nicht und intuitiv sucht dann meine Hand danach. Das sieht nach wahrer Liebe zu diesem Objektiv aus!
Times are changing
Damit die Bilder auch an der A7R aus der Hand scharf werden, empfehle ich maximal 1/250s Belichtungszeit. Mit dem Batteriegriff gehen sicher auch etwas längere Zeiten. Aber auch ohne Griff und mit 1/100s habe ich scharfe Bilder geschafft. Doch erinnern wir uns: Die A7R hat 36 Millionen unglaublich scharfe Pixel. Schon allerkleinste Verwackler werden hier nicht verziehen. Wer also freihand sicher gehen will, nimmt die 1/250s oder besser noch kürzer. Da das Objektiv subjektiv sehr viel Licht reinlässt, klappt das aber meistens auch. Die A7R II mit ihren Stabilisator ist hier natürlich im Vorteil. Oder man benutzt einfach mal wieder ein Stativ. Was ich mir übrigens beim Kauf der A7R grundsätzlich vorgenommen habe. Nur kontemplative, ruhige Fotos mit dieser Kamera. Aber mittlerweile mache ich alles mit dieser Kamera, die immer noch zu den absolut besten überhaupt zählt.
Fazit - so far
Und mit diesem Objektiv wird sie definitiv noch besser! Wer eine A7R oder kompatibles Modell hat und Personen (klassisch) fotografiert, kommt um das Sony FE 85mm f1,4 GM kaum herum. Daran werden mutmaßlich auch Firmen wie Sigma oder Tamron nichts ändern. Daher habe ich nicht länger auf irgendwas gewartet. Denn hier gibt es bis auf den Autofokus absolut nichts zu verbessern. Der indes könnte wirklich schneller treffen!
Das Objektiv ist nicht nur für Portraits hervorragend geeignet. Ein Gang durch die City von Gent mit diesem Objektiv hat mir wieder viel Freude an der Fotografie gebracht. So ein Objektiv will und wird man definitiv 20 Jahre behalten. Es ist nicht nur die superbe Schärfe, sondern einfach der gesamte Eindruck des Bildes, welcher hiermit entsteht. Ich nenne sowas gerne „scharf und cremig zugleich”.
Dieses Objektiv ist keine Liebe auf dem ersten Blick. Aber gut für eine um so intensivere und längere Beziehung. Lassen Sie sich darauf ein und Sie werden es nicht bereuen.
Update 25. Mai 2016 - Der knallharte Praxistest
Am Wochenende hatte ich den ersten „ernsten” Einsatz mit dem Sony FE 85mm / f1,4 GM. Genauer gesagt eine ganztägige Hochzeitsreportage in Braunschweig. Härter geht es kaum und auch diesmal habe ich 2kg abgenommen. Dazu 350km Fahrt - aber hin und wieder nehme ich gerne weiter entfernte Aufträge an. Das erweitert den Horizont und es macht Spaß, mal eine andere Kulisse zu haben. In diesem Fall edle Gäste, das beste Landgasthaus in der Gegend sowie ein Schmuckstück von Schlösschen in schönster niedersächsischer Landschaft.
Doch zurück zum zur Technik. Hier muss sich das neue Objektiv ohne Wenn und Aber beweisen. Und tatsächlich schlägt es sich im professionellen Einsatz noch besser als vermutet. Das Shooting am wunderschönen Schloss Richmond lief einwandfrei. Es war allerdings bestes Wetter. Aber auch „Indoor” gelangen wunderbare Bilder. Hier habe ich das Objektiv jedoch seltener eingesetzt, da die Räume nicht sehr groß sind und daher kürzere Brennweiten angesagt sind. Insgesamt fokussiert das Objektiv gut. Es pumpte ab und zu, aber eher selten und insbesondere bei hohen Blendenwerten. Nur ein einziges Mal, das aber bei sehr gutem Licht, wollte der AF überhaupt nichts finden. Keine Ahnung, woran es lag.
Dagegen wieder ein Plus beim Hineinschreiten des Paares mit viel Gegenlicht. Alles scharf und das Paar hell abgebildet. Vor 6 Jahren gab es bei Digitalkameras in solchen Lichtsituationen nur Schattentheater. Da ist auch der Vollformat-Sensor meiner Kamera im Vorteil.
Beim Shooting und bei der abendlichen Feier konnte ich das 85mm reichlich einsetzen. Ich habe damit ca. 500 Bilder gemacht und fast alle sind perfekt fokussiert! Und zwar auch die bei ISO 3200. Lediglich bei ISO 12800 (Disco mit sehr gemeinen LED-Punktstrahlern) war dann Ende und ich habe auf manuelles Fokussieren umgestellt. Ehrlich gesagt habe ich es an diesen Abend zum ersten Mal so richtig ausprobiert und war überrascht, wie leicht das manuelle Fokussieren mit der A7R von der Hand geht.
Wenn wir schon bei den dunklen Sachen sind: Sie wollen gerne bei Kerzenlicht Portraits machen? So richtig mit 2 bis 5 Candela im wahrsten Sinne der Maßeinheit? Das klappt mit dem Sony 85mm bestens und liefert zusammen mit der A7R stimmungsvolle Bilder. Auch bei unmoralisch hohen ISO-Werten. Probieren Sie es in Ruhe aus - ich hatte für ein Kerzenlichtbild nur die wenige Zeit, in der der DJ pausierte.
Eye-AF ready? Yes!
Eine weitere Erkenntnis: Bei genügend Licht funktioniert der Augen-AF einwandfrei, wenn die A7R die Augen findet. Ich habe diesen aber gar nicht oft verwendet und weiß auch nicht mehr, wann. Da aber alle Bilder ok sind, kann man daraus schließen, dass auch die mit Eye-AF ok sind. Zumal ich bei vielen Gruppenportraits oft f1,6 oder f1,7 benutzt habe, mit entsprechend sehr dünner Schärfeebene. Wenn da jemand 15cm näher am Fotografen steht, ist er schon aus der Schärfeebene raus! Also Belohnung für maßvolles Abblenden winken aber die beliebte Unschärfe im Hintergrund und abends schöne große Lichtkreise. Wie schon weiter oben erwähnt, sollte sich das Motiv aber nur wenig bis gar nicht bewegen. Die A7R ist keine Action-Kamera, und mit dem Sony 85mm/1,4 GM wird das nicht anders. Nach-Nachtrag: Das Sony 24-70mm/f2,8 GM ist mit seinen 2 Linearmotoren definitiv schneller. Aber wir reden hier ja nicht über Zooms ;-)
Pure Schärfe
Übrigens Gruppenbild: Ich fand diese Aufgabe bisher immer etwas anstrengend. Immerhin gab es diesmal eine schöne Treppe vor dem Schloss. Zwar muss man dann mit 85mm Brennweite als Fotograf etwas weiter weg, fast außer Rufweite. Und man sollte schon auf f8 abblenden, damit alle drauf sind. Aber wie scharf jedes einzelne Gesicht auf dem Gruppenfoto ist, ist einfach nur der Hammer. Da können Sie aus jedem Gesicht ein gutes Passfoto schneiden.
Nach dieser Pflichtaufgabe macht es enorm viel Spaß, die Portraits mit der Blende zu gestalten. Hinter dem Schloss gab es ein großes, leicht abfallendes Grüngelände. Mit f1,4 bis f2 ergab sich ein so unscharfer Hintergrund, dass es schon fast reinmontiert aussieht. Aber dafür um so beeindruckender.
Die von mir weiter oben monierten „Eier” in den Hintergrund-Spitzenlichtern konnte ich provozieren. Aber sehr selten und wenig ausgeprägt, und zwar Kerzenlichter bei f1,4. Also Offenblende, und Kerzenlichter sind ja sowieso nie ganz rund, sondern länglich. Hier also erneut Entwarnung und der gefürchtete Swirl-Effekt tritt bei keinem der 500 Bilder auf.
Bei der Durchsicht dieser Bilder fällt mir erneut auf, wie scharf diese sind. Ich dachte schon beim Zeiss 55mm / 1,8 immer „Wow, das geht kaum besser”. Aber das 85mm GM toppt selbst diese Linse. Um das zu sehen, muss man schon ziemlich in das Bild reinzoomen, bei Webbildern wird man den Unterschied nicht bemerken. Aber ich betone es nochmal: Selbst kleine Bildauschnitte machen Spaß. Und das auch bei f1,4 und/oder in den Bildecken. Wie, Sie brauchen keine Schärfe in den Ecken, weil das Motiv sowieso in der Mitte ist? Dann empfehle ich Ihnen ein gutes Foto-Coaching, z. B. hier.
Perfektionisten blenden bei diesem Objektiv auf f2,0 ab. Für die meisten Portraits werden Sie sowieso auf größere Werte gehen müssen, damit beide Augen oder mehrere Personen noch in der Schärfeebene sind. Wohlgemerkt, Sie können ohne jegliche Bauchschmerzen die Offenblende von f1,4 nutzen.
Schaut man zum Vergleich auf die Bilder des Sony-Weitwinkel-Zooms, erschaudert man schon fast - und das, obwohl das Weitwinkel doppelt so viele Details liefert wie mein „altes” Zuiko 7-14mm. Und das war schon in allen Tests immer ganz vorne. Alles scharfe Sachen, aber das Sony 85mm / f1,4 GM toppt alles mir derzeit bekannte.
Vergleich der Systemgiganten
Ich habe schon das Leica Nocticron 42,5mm / f1,2 erwähnt, welches an das mft-System passt (Olympus, Panasonic). Das Nocticron ist aktuell das beste Objektiv dieses Systems. Nach dem ersten Teil meines Beitrages wurde ich mehrfach gefragt, wie es im Vergleich zum Sony abschneidet. Ich gebe hier meine Eindrücke wieder, allein schon um das Sony einzuordnen.
Beim wichtigsten Punkt, der Bildanmutung, sind beide gleichauf. Hier merkt man, dass bei der Entwicklung Kompromisslosigkeit das Ziel war. Es gibt definitiv außer diesen beiden Objektiven wenig andere, die diese Cremigkeit im Bild haben, gepaart mit Schärfe. Das Sony scheint bei Offenblende etwas schärfer zu sein, unabhängig von der höheren Auflösung der A7R. Aber auch das Nocticron schneidet bei den Gruppenbildern gut ab und zeigt die einzelnen Gesichter detailliert. Vor allem detaillierter als aktuelle Zoom-Objektive. Aber Sie sind ja sowieso kein überzeugter Fan von Zooms, sonst hätten Sie nicht bis hierher gelesen - oder?
Im unscharfen Hintergrund gibt mir das Sony etwas größere Lichtkreise. Dafür ist die Neigung zu Ei-förmigen Spitzenlichtern geringer beim Nocticron, als sie am Sony sowieso schon ist. Beim Autofokus geht der Punkt klar ans Nocticron - es ist immer mindestens gleich schnell und meistens schneller als das Sony 85mm/f1,4 GM.
Weitere Unterschiede im Bild sind eher systembedingt: Sony punktet bei Auflösung, Rauschen, Dynamik und mft bei Stabilisierung und Vignettierung. Diese Parameter hängen maßgeblich vom Sensorformat ab. Trotzdem gilt auch hier: das Objektiv entscheidet viel mehr über die Bildqualität als die Kamera! Übrigens: Das Nocticron hat ebenfalls den genialen Blendenring. Aber an Olympus-Kameras funktioniert dieser nicht - das finde ich ausgesprochen kleinkariert, wo man doch sonst den gemeinsamen Standard beschwört.
Wenn man mich jetzt fragt, welches System ich kaufen würde, kann ich keine Antwort geben. Denn ich benutze beide ;-) Tendenziell kommen bei mir mehr Bilder aus der Sony. Das liegt aber auch ganz daran, welche anderen Objektive man nutzt und überhaupt, welche fotografischen Prämissen man hat. Denn wir wollen ja am Ende Bilder machen. Beide Objektive spielen ihre Trümpfe vor allem bei offener Blende aus. Ach so: Beim Nocticron bleibt gegenüber dem Sony noch so viel auf dem Konto übrig, dass sie eine Kamera dazukaufen können.
War da noch was?
Ach so, wie war das denn gleich mit der „Kaffeemaschine”? Also dem Geräusch beim Fokussieren? Ganz ehrlich: Ich habe es am kompletten Wochenende nach 15 Stunden Einsatz nicht ein einziges Mal bemerkt. Aber das Beste ist: Keine Kaffeemaschine macht so geniale Bilder. Nicht mal die allermeisten anderen Objektive. Und das ist doch schon was!
Hier kommt viel Licht durch: Auch Kerzenlicht reicht für saubere Bilder
Update Juni 2018: Das 85mm GM an der A7R III
Um es kurz zu machen - der AF an der Sony A7R III ist nun wesentlich besser. Zwar hakelt es immer noch ab und zu bei AF-S. Aber da man an der RIII ohne Weiteres AF-C benutzen kann und das GM hier meistens besser fokussiert, kann man das Thema "AF" weitgehenst vergessen. Allerdings - wer echte "Action" fotografieren will, der sollte es selbst ausprobieren. Das habe ich zumindest mit diesem Objektiv und der A7R III noch nicht gemacht!